Boll och Bira Cup 2025 Teil II
Pünktlich um 8:00 Uhr: Der Soundtrack zum Erwachen.
Der Brötchenliefer- und Weckdienst rollte übers Gelände, begleitet von Nana Mouskouris „Guten Morgen, Sonnenschein“. Ein Lied wie eine Umarmung – und der perfekte Kontrast zum zerknitterten Festivalblick in manch müdes Gesicht. Einige Frühaufsteher standen schon bereit, winkten, klatschten, prosteten dem Brötchenmobil zu. Ein kleiner, warmer Festivalmoment.
Doch nicht alles war Sonnenschein.
In der Nacht – 4:45 Uhr – schlug der Darmgott erbarmungslos zu.
Patient Null musste nach einem medizinischen (oder eher: intestinalen) Notfall in die Uckermark zurückgebracht werden – im Sinne aller Beteiligten und der sanitären Stabilität des Geländes.
Unsere besten Genesungswünsche gehen raus – und die klare Hoffnung: Möge solch ein Scheiß bitte nie wieder passieren.
Kommen wir zum Sport! Wie jedes Jahr war der Turnierbeginn um 9:00 Uhr angesetzt – und wie jedes Jahr… na ja, realistisch betrachtet, eine nette Idee. Mit einer satten 90-Minuten-Verspätung wurde dann auch wirklich angestoßen. Immerhin: Die Turnierleitung hatte vorgesorgt und sich schon am Donnerstag häuslich eingerichtet – Kachelmann-App sei Dank.
Die Menschenmannschaften standen bereit, der zweite Bürger-meister bastelte sich in Echtzeit eine Rede zusammen, und das sehr, sehr kompetente Schiedsrichter*innengespann blickte entschlossen in die Wolken.

Cliffhanger: Wer Tore schoss, wer fiel, wer triumphierte – das lest ihr in der nächsten Ausgabe.
An apple a day keeps the Mischpult away
Doch DJ Schimpagner, der offizielle und kollektiv anerkannte Botschafter der Lausitz, ließ sich davon nicht beirren.
Er stand bereit, das Outfit glänzte, das Publikum war heiß – doch der Computer sagte Nein.
Kurzzeitig stand alles auf der Kippe. Doch Rettung nahte. Im JC Erebos e.V. wartete schon der Mischpult-Ersatz, und mit ein wenig technischer Gymnastik konnte die große Show beginnen.
Die Aficionados nahmen ihre Plätze ein, Bänke wurden in Formation gebracht, Luftballons verteilt. Das Intro rollte über das Gelände – ein Versprechen in Klangform. Gleich würde es passieren. Gleich würde DJ Schimpagner die Bühne übernehmen.
Und dann tat er es.
Er lieferte. Er zündete. Er tanzte. Er schimpagnisierte.

Wie man diese alljährliche letzte DJ Schimpagner Show beschreiben soll? Vielleicht gar nicht. Vielleicht war sie jenseits aller Beschreibung. Nur so viel: H.P. Baxxter himself war zeitweise Teil dieses Geschehens. Wie? Warum? Wirklich? Wir wissen es nicht genau. Aber es war großartig. Es war laut. Es war… Boll och Bira.
Während die Menschen sich noch um eine Autogrammkarte des offiziellen Botschafters der Lausitz bemühten wurde die Bühne neu bestückt, denn nun sollte wieder Musik von Musikmenschen mit echten Instrumenten folgen.
Es war früher Abend – man hatte das Zeitgefühl längst im Bierpavillon verloren. Die Luft roch nach feuchtem Gras, Mückenspray und Adrenalin. Die Bühne war bereinigt, das Publikum bereit – und dann kam er: Friedemann. Mit Band. Mit Haltung. Mit KODDER.
Direkt rein in die Fresse.
Der erste Ton war ein Riss im Raum, der zweite eine Einladung zum Aufstand.
Was folgte, war ein musikalischer D-Zug durch das Beste aus Wut, Politik und kompromissloser Haltung. „Ihr kotzt mich an – ich kotz’ mich aus“ – dieser Satz hing wie ein Banner über dem Gelände.
Die Leute vor der Bühne? Anfangs neugierig, bald vollkommen elektrisiert. Der Moshpit war schnell geboren, ein kleines Biotop aus Schlamm, Bier und ehrlicher Aggression – aber ohne Idiotie.

Der Sound? Dreckig. Ehrlich. Wuchtig. Punkrock, Doom, D-Beat, Gebolze. Keine Kompromisse, keine Spielchen. Friedemanns Gesang klang, als hätte man Schmirgelpapier in eine Marshall-Box gepresst – und das ist durchweg als Kompliment gemeint.
Zwischen den Songs kurze Statements, keine Floskeln: Klimakrise, Krieg, Faschismus, Mitläufertum – alles bekam sein Fett weg. KODDER hat keine Angst, sich festzulegen. Und genau das war spürbar – selbst bis zur letzten Bank vorm Bierzelt.
Nach etwa einer Stunde war Schluss. Kein überlanger Abgang, kein künstliches Pathos. Ein kurzes „Danke!“ – und dann verließen sie die Bühne. Was blieb: ein kollektiver Puls von 180, nasse Shirts, offene Münder und eine Ahnung davon, was Musik bewirken kann, wenn sie sich nicht anbiedert, sondern aufrüttelt.
Und dann wurde es golden. Ein Mann im Aurum-Anzug betrat die Bühne. Er wirkte wie ein Relikt aus einer Zukunft, in der Punk den ESC gewinnen werden wird. Doch es war niemand Geringeres als der langhaarige Micha, aka DJ Schimpagner flankiert von fünf Musikern – darunter auch ein alter Bekannter: Keckmaster Keck – gestern noch mit den BurgStreetBois, aber heute Schmachwanderunk!

Erstes Lied, keine Aufwärmphase „Punkerurlaub“ – ein Klassiker, geschrieben von Micha selbst, damals noch bei Orang-Utan-Klaus. Ein Song, der auch nach Jahrzehnten nicht an Gültigkeit verloren hat – ganz im Gegenteil.
Das Zelt vibrierte, der Matsch wurde wieder zur Tanzfläche, und Peter – ja, der Peter – kehrte exakt 45 Minuten nach seiner Schlafeinlage mit überraschender Frische vor die Bühne zurück. „The same procedure as every day.“ Er tanzte, taumelte, fiel fast – wurde aber wieder eingefangen. (Natürlich vom gleichen Sänger wie am Vortag – ein Running Gag mit Herz.)
Schmachwanderunk, laut BrandenburgPunk die Speerspitze des Brathuhnpunks, lieferten ab. Laute Tanzmusik für Punks und andere Lebensfreudige. Sie zündeten ein Set zwischen Irrsinn, Ironie und musikalischer Selbstsicherheit. Wie gewohnt verkleidete sich DJ Schimpagner, immitierte einen Traktor, mimte eine Liebesleberwurst, trug den Weltknopf und zog sich für den performanten Akt ein Thor Steinar Nicki an, um es im Anschluss unter den Rufen „Ey, du Bauer! Zieh mal dein Thor Steinar Nicki aus“ auszuziehen.

Hauste Rheinland, dieses Lied rundete den musikalischen Abend ab. Laut Erzählungen, saßen einige viele Menschen noch bis mindestens 4 Uhr und … ja was und? Keiner konnte davon berichten, ergo bleibt dies wohl immer in den Köpfen aller beteiligten verborgen.